Basiphile Schneetälchen (Arabidion caeruleae)

Pflanzensoziologie: Die Gesellschaften nicht bodensaurer Schneetälchen werden dem Verband Arabidion caeruleae zugeordnet, den manche Autoren in die Klasse Thlaspietea rotundifolii stellen, anstatt, wie früher, in die Klasse Salicetea herbaceae.

Beschreibung

Dieser Lebensraum der alpinen und subnivalen Höhenstufe umfasst flache Bereiche und Mulden in denen sich der Schnee ablagert. Dieser bleibt bis in den Sommer hinein liegen, was zur Folge hat, dass die Vegetationsperiode besonders kurz ausfällt. Die Pflanzendecke lange schneebedeckter Standorte ist auf karbonatischem Substrat meist unzusammenhängend, was die Einordnung der basiphilen Schneetälchengesellschaften in eine Klasse der Schuttfluren rechtfertigt. Die Gefäßpflanzen sind von niedriger Statur, oft mit einigen Moosen assoziiert, aber niemals vorherrschend. Ständig neuer Materialeintrag verhindert die Sukzession und die Versauerung des Bodens. Kommt es durch veränderte Bedingungen dennoch zur Versauerung, stellt sich Salix herbacea als Leitart ein und die Gesellschaft wird den bodensauren Schneetälchen zugeordnet. Einige sehr spezialisierte Gefäßpflanzen kommen hier vor: Zu diesen zählen besonders die spalierwüchsigen Kriechweiden, die am Rand von Mulden und schneebedeckten Senken gedeihen.

Übereinstimmung mit anderen Klassifizierungssystemen

Natura 2000, Checkliste der Lebensräume Südtirols, Corine, EUNIS.

Verbreitung

Die Gesellschaften des Arabidion sind in allen Gebirgsketten des Kontinents verbreitet. In Südtirol sind sie besonders gut in den Dolomiten vertreten.

Ökologie

Ausschlaggebender ökologischer Faktor für die Ausbildung von Schneetälchengesellschaften ist eine mindestens sieben Monate dauernde Schneebedeckung. Die Schneetälchen am Rande von Gletschern und Dauerschneefeldern sind oft mit Geröllschutt bedeckt. In den Mulden, Hangverebnungen oder am Grund von Schlucklöchern, wo der Boden auch während des kurzen Sommers feucht bleibt, genügen bescheidene Ansammlungen von etwas feinerer Erde, um die Bildung einer dunklen Humusschicht zu bewirken. Dies fördert die Ansiedlung azidophiler Arten.

Typische Pflanzenarten

Typische Arten Artname Deutsch Dominante Arten Charakteristische   Arten Arten der Roten   Liste Südtirols Geschützte Arten (Naturschutzgesetz) Anmerkungen
Arabis caerulea Blaue Gänsekresse x x      
Gnaphalium hoppeanum Alpen-Ruhrkraut x x      
Salix reticulata Netz-Weide x x      
Salix retusa Stumpfblättrige Weide x        
Carex parviflora Kleinblütige Segge   x      
Potentilla brauneana Zwerg-Fingerkraut   x      
Saxifraga androsacea Mannsschild-Steinbrech   x   x  
Galium baldense Monte-Baldo-Labkraut     LC!    
Gentiana bavarica Bayerischer Enzian       x  
Minuartia biflora Zweiblütige Miere     VU    
Taraxacum alpinum agg. Artengruppe Alpen-Löwenzahn     LC!    

Oft kommt nur eine der Leitarten vor, die dann meist dominant ist.

Biologische Wertigkeit

Auch wenn floristische Seltenheiten fehlen, die besonderen ökologischen Faktoren alleine reichen aus, um dieses Habitat als biologisch wertvoll einzustufen.

Funktion des Lebensraumes

Manchmal werden die basiphilen Schneetälchen von Weidetieren – meist Schafen – aufgesucht. Die Intensität der Beweidung kann die Entwicklung der Bestände beeinflussen.

Unterscheidung von ähnlichen Lebensräumen

Die Gesellschaften basiphiler Schneetälchen lassen sich aufgrund eindeutiger Leitarten und der charakteristischen Geomorphologie leicht ansprechen. Dort, wo die Schneebedeckung aber etwas kürzer ausfällt oder wo die Beweidung das Aufkommen von Futterpflanzen begünstigt, können sich vermehrt kleinflächige Vegetationsfragmente im Mosaik mit den Gesellschaften der Geröllschutthalden oder der alpinen Rasen bilden.

Entwicklungstendenzen und Gefährdung

Als Folge der Frostsprengung (einer Lockerung der Felsen durch alternierendes Gefrieren und Auftauen) und damit verbundenem Materialeintrag ist eine Entwicklung zu anspruchsvolleren Formationen oder reiferen Böden eher nicht zu erwarten. Es kann aber vorkommen, dass Ansammlungen von Feinerde oder Trittschäden zur Versauerung der Böden beitragen und das Aufkommen von Arten azidophiler Schneetälchen (Salicion herbaceae) fördern.

Pflege und Naturschutz

Subnivale Lebensräume können von Schipisten-Planierungen betroffen sein. Wie es sich in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, stellen jedoch die Klimaveränderungen wahrscheinlich die größte Bedrohung dar. Auch wenn man davon ausgeht, dass sich der Lebensraum nach oben hin verschiebt, verringert sich dennoch sein potentielles Verbreitungsareal.

Lasen C., 2017 – Beschreibung der Lebensräume Südtirols. Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung.

MM